Verkaufstypologien von Investitionsgütern

21.09.2014 13:35

Typologien des Verkaufs im Maschinenbau

Die nachfolgend erläuterten Geschäftstypen stellen die bedeutendsten Aktivitätsfelder von Investitionsgütergeschäften dar, weshalb die Kenntnis und Bearbeitung jener Geschäftsfelder zu den Kernaufgaben eines Verkäufers im Maschinenbau zählen.[18] Ein in der Praxis erfolgreich angewandtes Kategorisierungsmodell von Geschäftstypen ist der von Backhaus entwickelte Geschäftstypenansatz. Dieser orientiert sich an den Dimensionen Kaufverbund und Transaktionsform, die den Investitionsgütermarkt maßgeblich bestimmen.[19] Geschäfte bei welchen nachgefragte Leistungen im Verbund mit anderen Leistungen gekauft werden, stellen die Dimension Kaufverbund dar. Ein Beispiel wäre ein Kunde, welcher eine Maschine und in diesem Zuge auch Instandhaltungsleistungen kauft. Die Transaktionsform gibt an, ob sich das Angebot auf einen Einzelkunden, oder auf den anonymen Markt bezieht. Anhand dieser beiden Dimensionen werden folgende für den Maschinenbau relevante Geschäftstypen identifiziert, auf welche nachfolgend detailliert eingegangen wird. Wie bereits in der Einleitung dargelegt ist das Anlagen-Geschäft nicht Inhalt der vorliegenden Arbeit und wird daher nicht näher behandelt.

Abbildung 1: Geschäftstypenansatz im Maschinenbau[1]

Entsprechend dem Komplexitätsgrad wird mit der Detailbehandlung des Produktgeschäfts begonnen, anschließend das Zuliefer- und abschließend das Systemgeschäft behandelt. Am Kapitelende werden die Anforderungen der Geschäftstypen gegenübergestellt und jeweilige Verkaufsaktivitäten abgeleitet.  

Produktgeschäft

Das Produktgeschäft ist durch die Vermarktung vorgefertigter Leistungen, einem hohen Anteil an kurzen Teilprozessen und minimalem Personaleinsatz zur Steigerung der Effizienz gekennzeichnet.[2] Speziell im Maschinenbau sind Bestandteile von Maschinen (als Bauteile oder Elemente bezeichnet) häufig durch Normen technisch eindeutig spezifiziert und erfüllen bestimmte Dimensions-, als auch Qualitätsanforderungen. Dies ermöglicht eine einfache Identifikation, Vergleichbarkeit, sowie globale Beschaffungs- und Absatzmöglichkeit der Produkte aus Sicht des Maschinenbauers. Ziel ist es, Maschinen aus Elementen aufzubauen, welche kostengünstig, erprobt und rasch verfügbar sind.[3] Hierdurch bleibt dem Maschinenbauer ein größerer Margen-Spielraum bei hoher Funktionssicherheit und kurzen Produktions- wie Beschaffungszyklen. Ein Beispiel für ein genormtes Bauteil sind Wälzlager.

Abbildung 2: Pendelkugellager[4]

Diese normierten Maschinenelemente, welche in sehr vielen Produktbereichen Anwendung finden, werden häufig über sogenannte Going-Preislisten verkauft. Die namhaften Hersteller senden in regelmäßigen Abständen Preislisten aus, an welchen sich Vertriebspartner (z.B. Händler) und Kunden (z.B. Maschinenbauer) orientieren. Der im Anhang abgebildete Herstellerauszug vermittelt einen Eindruck, welche Wettbewerbsintensität am österreichischen Markt herrscht. Der Vergleich der Produktpreise ist einfach und rasch durchführbar. Maschinenbauer profitieren von diesem Geschäftstyp aufgrund der Abnutzung von Bauteilen, welche in regelmäßigen Abständen erneuert werden müssen. Da die Elemente exakt spezifiziert sind, ist die Geschäftsabwicklung einfach und wird häufig in Form von Serviceverträgen mit Dienstleistungen kombiniert.[5] Beispielsweise bei Maschinenwartungen, im Zuge derer Ersatzteile und Serviceleistungen benötigt werden und der Maschinenbauer vor Ort unterstützt.[6] Ein weiteres Beispiel ist die Automobilindustrie, wo markenübergreifend identische Teile für mehrere Modelle verbaut (Plattformstrategie) werden, um durch die Standardisierung Kostenvorteile zu realisieren.[7] Eine weitere Absatzmöglichkeit sind  Bevorratungsbestellungen seitens der Kunden,  um Bauteile im Falle von unerwarteten Maschinenstillständen oder Wartungen sofort verfügbar zu haben. Ein großer Vorteil des Produktgeschäftes ist die regelmäßige Nachfrage durch den Kunden auf Basis der Abnutzung der Elemente und die Angebotsmöglichkeit von Dienstleistungen (Wartung).

Zusammenfassend sind im Produktgeschäft Verfügbarkeit, effiziente Abwicklungsprozesse und daraus folgend attraktive Preise entscheidende Erfolgsfaktoren für Geschäftsabschlüsse. Der große Vorteil des Produktgeschäftes ist der regelmäßige Bedarf an eindeutig spezifizierten Elementen. Kann dieser durch Maschinenbauer oder deren Partner (z.B. Händler, welche umfassendere Bevorratung bieten können) zufriedenstellend gedeckt werden, sind regelmäßige Aufträge und Kundenkontakte die Folge.[8] Die Pflege dieses Geschäftszweiges durch den Verkäufer sorgt für stetigen Umsatz bei minimalem Beratungsaufwand, nachdem die Produkte einmal definiert wurden. Ziel des Verkäufers muss somit die Bekanntmachung des Angebots an einen breiten Kundenstock mittels Katalogen, Online Shops, oder Cross-Selling sein.

Ein artverwandter Geschäftstyp mit kundenindividuelleren Leistungsmerkmalen ist das nachfolgend erläuterte Zuliefergeschäft.

Zuliefergeschäft

Im Zuliefergeschäft werden Leistungen nach Kundenwunsch in großer Stückzahl identisch und meist ausschließlich für diesen produziert. [9]  Dieser, häufig als OEM-Geschäft (Original Equipment Manufacturer) bezeichnete Geschäftstyp, ist durch enge Geschäftsbeziehungen und gegenseitige Abhängigkeitsverhältnisse charakterisiert.[10] Derartige Einzelgeschäfte weisen im Vergleich zum Produktgeschäft höhere Abwicklungszeiten durch vorgelagerte Entwicklungs- und Abstimmungsaktivitäten zwischen Kunde und Anbieter auf. Weiters binden sich die Beteiligten stärker aneinander, als es bei standardisierten Produkten der Fall ist, da der Anbieter Fertigungskapazitäten reservieren und Bauteile produzieren muss, welche er ausschließlich an einen Kunden liefern kann.[11] Spezialkomponenten lassen sich selten an weitere Kunden verkaufen (vertraglich wie technologisch nahezu unmöglich) und binden einen Großteil der Kapazitäten für einen Abnehmer. Dies kann zum Verlust anderer Kunden führen, welche mangels Kapazitäten nicht länger bedient werden können. Diese Opportunitätskosten gilt es vor einem möglichen Geschäftsabschluss zu beachten. Aufgrund des hohen Komplexitätsgrades, beiderseitigen Unsicherheiten und der oft mehrjährigen Vertragserfüllungsdauer dominiert in diesem Geschäftstyp der persönliche Verkauf in nahezu allen Hierarchiestufen. Er soll ein perfektes Erfassen und Umsetzen der Kundenwünsche ermöglichen. Der Kunde wiederum verlässt sich auf einen Anbieter, welcher die Bauteile exklusiv für ihn fertigt. Ein kurzfristiger Lieferantenwechsel in Problemfällen (Versorgungsengpässe, Produktqualität usw.) ist häufig aufgrund der Komplexität und vertraglicher Bindungen nicht möglich.[12]

Häufige Folge ist die kundenseitige Forderung lokaler Nähe zum Lieferanten, um Interaktionen zu vereinfachen und Kontrollmöglichkeiten zu haben.[13] Ein klassisches Beispiel ist die Automobilindustrie, in welcher komplexe Teile speziell für einen Autotyp von Anbieter und Kunde gemeinsam entwickelt werden. Besonders bedeutende Bauteile werden beispielsweise am Werksgelände der Autobauer durch Zulieferer produziert und gelagert. Alternativ kann eine Just-in-Time Lieferung vereinbart werden, sodass keine unmittelbare lokale Präsenz erforderlich, aber gleichwertig verlässliche Versorgung bei Eliminierung  der Lagerkosten gesichert ist.[14] Weitere Bestandteile der Versorgungssicherheitsforderungen auf Kundenseite sind häufig Null-Fehler-Lieferungen, um die Prozessabläufe störungsfrei zu halten. Ein fehlerhaftes Bauteil kann beispielsweise in der hoch automatisierten Automobilindustrie für kostenintensive Produktionsunterbrechungen sorgen, die es zu vermeiden gilt. Aufgrund der zuvor beschriebenen Aufwände (Kapazitätsbindung, Entwicklungstätigkeiten) sollte ein Risikomanagement hinsichtlich Aufwand und Trefferchancen auf Anbieterseite etabliert werden.  Dieses optimiert den Mitteleinsatz in der Geschäftsanbahnung durch Bewertung aller Geschäftschancen und Konzentration auf die erfolgversprechendsten. Eine weitere Möglichkeit, Aufwände zu minimieren und Sicherheiten zu schaffen, ist die Konzentration auf eine effiziente Versorgungssituation. Eine elektronische Vernetzung mit dem Kunden ermöglicht vorausschauende Planungen und erleichtert seine Versorgung Just-in-Time.

Kritische Erfolgsfaktoren im Zuliefergeschäft sind somit ein gezielter und individualisierter Vertriebsprozess, welcher sich intensiv an den Kundenwünschen orientiert.[15]  Das Zuliefergeschäft ist für Verkäufer, aufgrund der im Vergleich zum Produktgeschäft stärkeren Kundenbindung durch individuell produzierte Güter, ein sehr attraktives Geschäftsfeld. Ist das Kundenvertrauen einmal gewonnen und in der Realisierungsphase bestärkt worden, steigt die Chance für Folgeaufträge. 

Ein weiterer in der Praxis häufig auftretender Geschäftstyp mit starkem Bindungscharakter zwischen Kunde und Anbieter ist das Systemgeschäft, wie nachfolgend erläutert wird.

Systemgeschäft

Für das Systemgeschäft ist charakteristisch, dass sich der Kunde mit der ersten Investition auf ein System, beispielsweise ein Betriebssystem für eine Maschinensteuerung, festlegt. Diese Bindung erzeugt mangels Verfügbarkeit von Substitutionsprodukten (oder Leistungen) eine Abhängigkeit des Kunden vom Anbieter. Dieser Effekt wird als Lock-in-Effekt bezeichnet.[16] Diese Abhängigkeit wirkt sich neben den direkt betroffenen Komponenten häufig auch auf Umgebungskonstruktionen aus. Im Falle der Maschinensteuerung gilt es, mit dieser kompatible Komponenten wie Softwarelösungen zu definieren und zu kalibrieren. Hierbei stößt der Nachfrager oft an Know - How Grenzen welche Produkte zu einer Interaktion fähig sind und ist somit auf die Beratung durch einen Maschinenbauer angewiesen. Der Kunde muss im Falle einer Systemerweiterung auf herstellerspezifische Komponenten zurückgreifen, oder aus dem System aussteigen. Ein Ausstieg ist in Anbetracht der häufig bereits angefallenen, hohen Investitionskosten und nochmaligen Aufwänden in der Neubeschaffung keine zufriedenstellende Lösung.[17] Diese Bindung führt zu einer kundenseitigen Unsicherheit. Der Verkäufer kann mittels Verringerung der Systembindung und/oder dem Aufbau einer Gegenposition zum Unsicherheitsempfinden des Kunden reagieren. Eine weitere Möglichkeit sind Standardisierungsbemühungen, sodass Systemkomponenten auch mit systemfremden Leistungen kombinierbar werden und einen Anbieterwechsel ermöglichen. Der Aufbau einer Gegenposition zum Bindungseffekt kann durch vertraglich abgesicherte Garantien oder Zusicherungen des Anbieters erfolgen. Sichert das Anbieterunternehmen dem Kunden seine Leistungsfähigkeit zu, kann es dies durch Sachkapitalinvestitionen beweisen.[18] Hierdurch wird die einseitige durch eine wechselseitige Bindung der Beteiligten ersetzt und Vertrauen geschaffen. Die wichtigste Maßnahme ist der Beweis des Leistungswillens in Form von Anstrengungen in der Beratung und im Service durch den Verkäufer.

Zusammenfassend kann als Kritischer Erfolgsfaktor im Systemgeschäft, aufgrund der Fixierung langfristiger Systeme und Architekturen, das Überwinden von Kundenvorbehalten gesehen werden. Referenzkunden, Erfüllungsgarantien und persönliche Beratung, wie Beweise der Leistungsfähigkeit und Leistungswille durch den Verkäufer wirken vertrauensbildend und steigern die Chance auf einen Geschäftsabschluss.


 

Zusammenfassung Verkaufstypologie-Merkmale und mögliche Verkaufsaktivitäten

Nachfolgende Tabelle stellt - entsprechend den vorangegangenen Betrachtungen der Verkaufstypologien - die Merkmale und Anforderungen an Verkäufer für den jeweiligen Geschäftstyp gegenüber.

Verkaufstypologie - Merkmale

Verkaufsaktivitäten

Produktgeschäft

Hoher Standardisierungsgrad

Hohe Preistransparenz

Hohe Verfügbarkeitsforderung

Geringe Kundenbindung

Angebot breitem Kundenstock eröffnen

Aktives Cross- Selling, Kataloge, Online-Shop

Bevorratung oder Handelspartner pflegen

Zuliefergeschäft

Kundenspezifische Produkte

Höhere Risiken als Produktgeschäft

Starke Kundenbindung

Vertrauen gewinnen

In der Lösungsfindung unterstützen

Know How zugänglich machen

Systemgeschäft

Hoher Grad an Individualität

Hohe Leistungstiefe

Hohe Umsätze und Margen

Hohe Unsicherheit beim Kunden

Systembedingte Kundenbindung

Vertrauen gewinnen

Abbau einer Gegenposition zur Unsicherheit

Intensive Beratung - hohe Kompetenz nötig

Referenzen, Erfüllungsgarantien anbieten

Tabelle 4: Merkmale von Geschäftstypen und mögliche Verkaufsaktivitäten

Nach der nun durchgeführten Abgrenzung des Maschinenbaus und Behandlung möglicher Verkaufstypologien, ist das Wirkungsfeld von Verkäufern grob definiert. Sie verkaufen Investitionsgüter des Maschinenbaus in Form von Produkt-, Zuliefer- und Systemgeschäften unter Berücksichtigung der jeweiligen Besonderheiten. Alle nachfolgenden Betrachtungen werden im Rahmen des Systemgeschäfts vorgenommen, da dieses aufgrund des Komplexitätsgrades den anspruchsvollsten Verkaufstyp  darstellt und die gewonnenen Erkenntnisse auch im Produkt- oder Zuliefergeschäft verwertet werden können.

Inhalt des folgenden Kapitels ist die Betrachtung der Akteure im Verkaufsprozess, Ermittlung Ihrer Bedürfnisse und Interaktionen. Ziel ist, analog zu den Verkaufstypologien, das Aufzeigen von Besonderheiten und Unterschieden zwischen den handelnden Personen entsprechend Ihrer Funktionen. Durch Kenntnis jener Unterschiede können Verkäufer durch gezielte, auf den Gesprächspartner abgestimmte Aktivitäten, Ihre Erfolgschancen weiter steigern.


[1] Vgl. Meffert (1998): S. 1126

[2] Vgl. Diller/Haas/Ivens (2005): S. 225

[3] Vgl. Backhaus Klaus (2003): S.324

[4] Quelle: Peter Wiegel / pixelio.de

[5] Vgl. Blom / Harlander (1999): S. 189

[6] Vgl. Hellwig, Hofbauer (2009): S. 325

[7] Vgl. Becker (1999): S. 57 f.

[8] Vgl. Vgl. Winkelmann (2008): S. 298

[9] Vgl. Hellwig, Hofbauer (2009): S. 50

[10] Vgl. Meffert (1998): S. 1125

[11] Vgl. Koppelmann (1993): S. 103 f.

[12] Vgl. Arnold (1997): S. 96 f.

[13] Vgl. Belz/Reinold (1999): S 68 f.

[14] Vgl. Diller/Haas/Ivens (2005): S. 244

[15] Vgl. Hellwig, Hofbauer (2009): S. 50 f.

[16] Vgl. Aufderheide, Backhaus, Späth (1994): S. 63

[17] Vgl. Hellwig, Hofbauer (2009): S. 48 f.

[18] Vgl. Williamson (1985): S. 643


[1] Vgl. Winkelmann (2008): S. 27

[2] Vgl. Hellwig, Hofbauer (2009): S.46

[3] Vgl. Diller/Haas/Ivens (2005): S. 161 f.

[4] Vgl. Bruhn (2001): S.254

[5] Vgl. Kottler (1999): S. 156

[6] Vgl. Hellwig, Hofbauer (2009): S.46

[7] Vgl. Achleitner / Thommen (2003): S. 33

[8] Vgl. Diller/Haas/Ivens (2005): S. 161

[9] Vgl. Hellwig, Hofbauer (2009): S.46

[10] Vgl. Diller/Haas/Ivens (2005): S. 131

[11] Vgl. Winkelmann (2008): S. 298

[12] Vgl. Hellwig, Hofbauer (2009): S. 443 f.

[13] Vgl. Pleschak (2003): S. 1

[14] Vgl. Oberstebrink (2009) S. 15 f.

[15] Vgl. Berdi (2009): S. 3

[16] Vgl. Stadler Lothar (2008): S. 242 f.

[17] Vgl. Backhaus Klaus (2003): S.324

[18] Vgl. Hellwig, Hofbauer (2009): S. 48 ff.

[19] Vgl. Backhaus (1999): S. 281 f.