Marktsegmentierung
21.09.2014 13:43Marktsegmentierung
Häufig ergibt sich aus dem Marktprofil ein stark fragmentiertes Bild an Branchen, darin befindlicher Kunden, Wettbewerber und Rahmenbedingungen, wodurch die Findung einer erfolgversprechenden Marktbearbeitungsstrategie erschwert wird. Die Aufteilung des Marktes in einander ähnelnde Segmente, erleichtert eine Selektion der erfolgversprechendsten Marktsegmente. Durch Konzentration auf die attraktivsten Bereiche des Marktes, erhöht der Vertrieb seine Erfolgschancen und reduziert Aufwände und Kosten.
Die Abgrenzung von in sich homogenen Marktsegmenten aus dem Marktprofil erfolgt anhand verschiedener, messbarer, kaufverhaltensrelevanter, zugänglicher und aussagekräftiger Kriterien, unter Berücksichtigung einer wirtschaftlichen Zielgruppensegmentbildung.[2] Durch den Einsatz von Segmentierungskriterien werden Gemeinsamkeiten innerhalb eines Segments, oder Unterschiede zwischen den Segmenten, ersichtlich und eine Segmentbildung, beziehungsweise Segmentabgrenzung, möglich.[3] Um möglichst präzise und verwertbare Segmentierungskriterien zu definieren, sollten folgende Anforderungen eingehalten werden:
Messbarkeit | Zugänglichkeit (direkte/indirkete Messung) |
Mess(skalen)niveau (qualitativ/quantitativ) | |
Kosten der Messung | |
Schnelligkeit der Messung | |
Häufigkeit der Messung | |
Verfügbarkeit der Messdaten durch primäre/sekundäre Datenbeschaffung | |
Kaufverhaltensrelevanz der Merkmale | Indikationsstabilität und -stärke |
Qualitative Erklärungskraft hinsichtlich des Kaufverhaltens | |
Aussagefähigkeit und Erreichbarkeit für zielgruppenspezifische Marketing-Maßnahmen | Adressierbarkeit (Zugänglichkeit, Erreichbarkeit) |
Gestaltbarkeit und Differenzierbarkeit (Erklärungsgehalt, Beeinflussbarkeit, Variierbarkeit) | |
Zeitliche Stabilität | |
Kontrollierbarkeit (Identifizierbarkeit und Zurechenbarkeit) | |
Wirtschaftlichkeit der Zielgruppensegmente | Segmentgröße (Markt- und Absatzvolumen, Nachfrageintensität) |
Segmentwachstum (Markt- und Absatzpotenzial) | |
Segmentbesetzung (Verteilung der Marktanteile) | |
Segmentierungskosten versus Erträge |
Tabelle 16: Anforderungen an Segmentierungskriterien[4]
Entsprechend der zuvor genannten Anforderungen an Segmentierungskriterien wird nachfolgend ein Beispiel für Marktsegmentierungskriterien gegeben.
Demografische Variablen | |
Industrien | Welche Industriezweige benötigen unser Produkt? Welche Industriezweige weisen attraktive Zukunftsaussichten auf? Welche Industrien sind erfahrungsgemäß profitabel? Welche weisen eine positive Entwicklung auf? |
Standort | In welchen Bundesländern werden meine Leistungen stark nachgefragt? Auf welche geografischen Gebiete sollten wir uns konzentrieren? |
Unternehmensgröße | Auf Unternehmen welcher Größe sollten wir uns konzentrieren? |
Produktlebenszyklus | Status der Produkte im Produktlebenszyklus?[5] Werden unsere Produkte auch zukünftig in dem Segment benötigt? |
Leistungsbezogene Variablen | |
Technologie | Auf welche Technologien sollten wir uns konzentrieren? |
Geschäftstypen | Auf welche Geschäftstypen eingehen? Produktgeschäft, Zuliefergeschäft, Systemgeschäft? Varianten: Leasing, Wartungsverträge, Ausschreibungen, Kanban. |
Schwerpunkt-Setzung | Industrien mit Dienstleistungsbedarf forcieren (Systemgeschäft)? Oder nur auf produktorientierte? |
Anwenderstatus | Sollten wir uns auf starke, mittlere, oder schwache Verwender oder Nichtverwender konzentrieren? |
Wettbewerbs-vergleich | In welchen Industrien oder Anwendungen bestehen Vorteile in der Leistungsfähigkeit gegenüber dem Wettbewerb und sollten daher im Fokus der Vertriebsaktivitäten stehen? |
Situationsbedingte Faktoren | |
Dringlichkeit | Konzentration auf Technologiemärkte mit aktuellem Lieferbedarf oder Orientierung an zukunftsträchtigem Bedarf? Bsp.: Solartechnologie: Geringer Bedarf aber mögliche Zukunftstechnologie in Anbetracht der Umfeldbedingungen (Ausstieg Atomenergie vieler Staaten). |
Spezifische Produkt-anwendungen | Auf alle möglichen Produktanwendungen konzentrieren, oder Fokussierung auf spezifischer Anwendungen? |
Auftragsumfang | Definition minimaler und maximaler Auftragsumfänge. |
Beobachtbares Konsumverhalten[6] | Preisklasse, Nutzungsinteresse, Mediennutzung, Art und Anzahl der Medien, Lieferantentreue des Kunden. |
Tabelle 17: Beispiele für Markt-Segmentierungskriterien[7]
Eine bewährte Möglichkeit zur Segmentbildung auf Basis genannter Segmentierungskriterien ist die Clusteranalyse. [8] Diese bildet auf Basis der Kriterien Gruppen, welche in sich homogen aber zueinander möglichst unähnlich sind. Somit wird die Abgrenzung der Segmente zueinander automatisiert durch Vergleich von Distanzmaßen erledigt. Als Distanzmaß gilt die Entfernung zweier Werte voneinander. Ein Beispiel wäre ein Marktsegment, welches aus Anbietersicht eine sehr gute Erschließbarkeit, somit hohe Skalenwerte für dieses Merkmal aufweist. Im Gegensatz zu Segmenten, welche mangels passender Produkte oder Know How schwer zugänglich sind, entsteht somit eine Distanz, die statistisch erfassbar und abgrenzbar ist.[9] Zur Überprüfung der Ergebnisse kann die Diskriminanzanalyse herangezogen werden. Sie untersucht, inwieweit eine bestimmte Variable zur Unterscheidung zwischen den Gruppen beiträgt.[10] Ein Beispiel für eine Marktsegmentierung auf Basis der Clusteranalyse bietet nachfolgende Abbildung. Diese wurde aufgrund des Interesses in Maschinenbauleistungen, der Kaufkraft und dem Wachstumspotenzial der Branche unter Ausweisung des Umsatzpotenzials erstellt. Die jeweiligen Branchen sind hinsichtlich Ihrer Bedürfnisse und Charakteristika in sich homogen und bilden somit eine gute Ausgangsbasis für die Festlegung einer Bearbeitungsreihenfolge, entsprechend Ihrer Attraktivität für das Anbieterunternehmen.[11] Im vorliegenden Fall zeigt die Pharmaindustrie sehr hohe Kaufkraft bei gegebenem Interesse an Maschinenbauleistungen, kombiniert mit hohem Wachstums- und Umsatzpotenzial. Sie ist daher, relativ zu den anderen Marktsegmenten, als attraktiv anzusehen und sollte bearbeitet werden. Noch größeres Interesse an Maschinenbauleistungen bei hoher Kaufkraft weist im Beispiel das Marktsegment der produzierenden Industrie aus. Kann der Vertrieb ressourcenbedingt nur ein Marktsegment bedienen, hängt die Entscheidung für ein Segment von den Unternehmenszielen ab. Aufgrund der stärkeren Nachfrage in der produzierenden Industrie könnte die Geschäftsabschlusswahrscheinlichkeit höher sein, als in der Pharmaindustrie, wobei diese größeres Wachstumspotenzial und höheres Umsatzpotenzial bietet. Diese Vorteile gilt es gegeneinander abzuwägen.
Abbildung 13: Grafische Auswertung Clusteranalyse - Marktsegmente
Bei der Segmentierung ist neben in sich stimmigen Segmenten auf wirtschaftliche Belange zu achten. Hierbei sind nicht nur die Segmentierungskosten in Form von Informationsbeschaffung und Informationsaufbereitung gemeint, sondern auch das Potenzial eines Segmentes.[12] Die kleinste Segmenteinheit ist ein Kunde, die größte häufig eine Branche, ein Land, oder ein Kontinent. Die Segmentierungsgröße muss groß genug sein, um eine aktive Bearbeitung durch den Vertrieb betriebswirtschaftlich zu rechtfertigen. Gleichzeitig nimmt mit zunehmender Segmentgröße in der Regel die Inhomogenität zu, was die Ausdehnung der Segmentgröße beschränkt. Ist das Segment in sich homogen, also die Bedürfnisse der Kunden im Segment sehr ähnlich, wird die Bearbeitung des Segments durch Routineabläufe und Standardisierungsmöglichkeiten erleichtert.[13] Somit ist die Bildung eines in sich homogenen Marktsegments, das betriebswirtschaftlich sinnvoll bearbeitbar ist von besonderer Bedeutung.[14] Da Märkte von vielen im Marktprofil dargestellten Faktoren beeinflusst werden, ist eine pauschale Empfehlung zur Größenordnung von Marktsegmenten nicht ableitbar. Eine Möglichkeit ist die Gegenüberstellung des Absatzpotenzials und der zu erwartenden Bearbeitungskosten. Sofern das Absatzpotenzial die Kosten überwiegt, ist die Segmentbewertung absolut gesehen sinnvoll. In diesem Fall empfiehlt es sich die Segmente relativ zueinander zu vergleichen, ob nicht ein anderes Segment größeres Potenzial zu geringeren Bearbeitungskosten bietet. Derartige Analysen sind Inhalt des folgenden Unterkapitels.
[1] Vgl. Homburg/Schäfer/Schneider (2002): S. 218
[2] Vgl. Hofmaier (1999): S. 131
[3] Vgl. Hellwig / Hofbauer (2009): S. 120
[4] Vgl. Davidson/Meyer (2001): S.365
[5] Vgl. Dahringer L. / Leihs H. / Mühlbacher H. (2006): S. 27
[6] Vgl. Behle C. / Detroy E.N./ Renate vom Hofe (2007): S. 47
[7] In Anlehnung an: Bonoma/Shapiro (1983): S. 157
[8] Vgl. Pepels (2007): S. 358
[9] Vgl. Pepels (2007): S. 114
[10] Vgl. Backhaus/Erichson/Plinke/Weiber (2008): S.389 ff.
[11] Vgl. Hellwig / Hofbauer: S. 121
[12] Vgl. Pepels (2007): S. 15
[13] Vgl. Behle C. / Detroy E.N./ Renate vom Hofe (2007): S. 35
[14] Vgl. Homburg/Schäfer/Schneider (2002): S. 130