Lieferantenbewertung

15.06.2014 14:15

Im Zuge der Lieferantenbewertung wird beurteilt, inwiefern potenzielle Lieferanten die Anforderungen des Kunden erfüllen können (oder im Falle eines bereits etablierten Lieferanten erfüllen).[1] Inhalt von Bewertungen sind häufig sowohl qualitative wie quantitative Merkmale.[2] Ein Vergleich quantitativer Merkmale, zum Beispiel Fertigungskapazitäten, Lagerbestände, Finanzdaten, Abwicklungszeiten für Angebote, Lieferungen und weiteren auf metrischen Zahlen basierenden Kriterien,  ist aufgrund vergleichbarer Skalenniveaus möglich und rasch durchführbar, sofern die Daten vorliegen.[3] Um Vergleiche qualitativer Beurteilungskriterien unterschiedlicher Skalenniveaus herzustellen, bieten sich Scoring Modelle an.[4] Diese bewerten beispielsweise Erfüllungsgrade von Merkmalen in Prozent, oder erzielte Gesamtpunktzahlen hinsichtlich gewählter Bewertungskriterien.

 

Verschiedene, für den Kunden relevante Kriterien (Faktoren) werden hinsichtlich Ihrer Bedeutung in Prozent (Faktor Gewichtung) bewertet und setzen sich aus mehreren Einzelbewertungskriterien (Indikatoren) zusammen.[5] Die Faktor- und Indikatorgewichtungen sind vom Kunden entsprechend Ihrer Bedeutung zu wählen und können von Firma zu Firma differieren. Im angeführten Beispiel wurde die Produkt- und Dienstleistungsqualität mit einem Einfluss von fünfzig Prozent bewertet, (Faktorgewichtung 50) und stellt das bedeutendste Bewertungskriterium dar, gefolgt von Prozessqualität mit 30 Prozent und Flexibilität wie Betreuungsqualität mit jeweils 10 Prozent. Die Produkt- und Dienstleistungsqualität setzt sich aus mehreren Indikatoren zusammen, welche wie die Faktoren gewichtet werden. So beeinflusst der Indikator Produktqualität mit 50 Prozent die Bewertung des Faktors Produkt- und Dienstleistungsqualität am stärksten, gefolgt von Servicequalität, Einhalten der Qualitätsanforderungen und kontinuierliche Verbesserung und Innovationen. Ziel ist eine gewichtete Bewertung entsprechend der Kundenanforderungen vornehmen zu können. Durch folgende Formel lässt sich die Gesamtgewichtung des Indikators innerhalb eines Faktors bestimmen (also sein Einfluss auf die Bewertung) und mit anderen Lieferanten bei gleicher Bewertungssystematik vergleichen:

 

Gesamtgewichtung = Faktorgewichtung / 100 x Indikatorgewichtung

 

In der Spalte Urteil wird der Grad der Erfüllung, welchen der Lieferant erzielt, vom Kunden bewertet. Im vorliegenden Beispiel von 10 Punkten (komplette Erfüllung) bis 0 Punkten (Nichterfüllung). Idealerweise stehen hinter den Punkten metrische Benchmarks, beispielsweise Reklamationsquoten in Prozent der Lieferungen, um eine Bewertung vornehmen zu können. Beispielsweise 10 Punkte im Falle von 0% Reklamationen an allen Lieferungen, 9 Punkte falls 1% aller Lieferungen fehlerhaft sind und so weiter. Die gewichtete Bewertung gibt an, welchen Erfüllungsgrad in Punkten der Lieferant erzielt (beispielsweise 45 Summenpunkte von 50 möglichen für den Faktor Produkt- und Dienstleistungsqualität). Sie wird wie folgt durch Multiplikation des Urteilwertes mit der Gesamtgewichtung errechnet:

 

Gewichtete Bewertung = Urteil x Gesamtgewichtung

 

Durch Summenbildung der gewichteten Indikatorbewertungen ergeben sich pro Faktor eine Punktzahl, welche in Relation zu maximal erreichbaren Werten gesetzt werden kann (45 Punkte bei der Produkt und Dienstleistungsqualität von 50 möglichen Punkten). Hierdurch lassen sich Lieferanten hinsichtlich Ihrer Leistungen auf Basis der erreichten Punktzahlen vergleichen. Anbietende Unternehmen können somit durch Kenntnis der Bewertungskriterien Ihre Aktivitäten an den Kundenanforderungen ausrichten und eventuell die eigene Position zum Mitbewerb ermitteln. Nachfolgend wird die eben beschriebene Lieferantenbewertung in Tabellenform dargestellt.

 

[2] Vgl. Koppelmann (1993): S. 262 f.

[3] Vgl. Backhaus / Voeth  (2007): S. 486 f.

[4] Vgl. Hellwig / Hofbauer (2009): S. 374

[5] Vgl. Koppelmann (1993): S. 264

 

Ein Beispiel einer Lieferantenbewertung auf Basis eines Scoring Modells wird auf der nachfolgenden Seite dargestellt.


Lieferantenbewertung auf Basis eines Scoring Modells[1]

 [1] Vgl. Winkelmann (2008): S. 144; In Anlehnung an das Homburg Schema

Eine grafische Vergleichsform auf Basis eines Scoring Modells sind Netzdiagramme, welche den Erfüllungsgrad der einzelnen Bewertungskriterien übersichtlich darstellen und Vergleiche zwischen mehreren Lieferanten zulassen.[1] Häufig werden diese auch als Profilvergleiche bezeichnet.[2] Durch diese Methode können nicht nur die Kunden Ihre Lieferanten, sondern auch Anbieterunternehmen Ihre Position im Vergleich zum Mitbewerb beim Zielkunden bestimmen. Abgeleitet aus der nachfolgenden Lieferantenbewertung wurden für jeden Faktor Netzdiagramme erstellt. Möchte der Vertrieb des anbietenden Unternehmens nun die Position zum Mitbewerb einschätzen, gilt es dessen Punktzahlen gegenüberzustellen. Jene Information wird selten durch Kunden bereitgestellt, kann jedoch auf Basis der Erfahrungen des Anbieters und unter Einbeziehung von Mitbewerbsprofilen, die im Unterkapitel Wettbewerb behandelt sind, ergänzt werden. 


[1] Vgl. Eichler (2003): S. 167 f.

[2] Vgl. Hellwig / Hofbauer (2009): S. 374


 


 
 

Die aus Kundensicht zufriedenstellende und gegenüber dem Mitbewerb bessere Erfüllung der Kriterien ist Grundvoraussetzung für langfristige, profitable Geschäftsbeziehungen.[1] Das vorgestellte Modell lässt erahnen, welche Kriterien grundsätzlich wichtig sind, doch ist die Erfüllung dieser keine Voraussetzung für zufriedene Kunden. Oftmals werden bestimmte Erfüllungen als Basisanforderungen gesehen, die im Falle eines Fehlens Unzufriedenheit erzeugen, bei Erfüllung jedoch keine Zufriedenheit.[2] Entsprechend der Bedeutung dieser Wechselbeziehung wird die Kundenzufriedenheit am Beispiel des viel zitierten Kano-Modells[3] nachfolgend näher betrachtet. Zu beachten ist, dass das Kano-Modell vermehrt auf die Kundenzufriedenheit mit einem Kauf abzielt, während Lieferantenbewertungen vermehrt die Zufriedenheit mit einer Geschäftsbeziehung abbilden. Beides spielt im Maschinenbau im Zuge von Projekten (Beziehungen) und Einzeltransaktionen (Verkauf von Standardmaschinen, Produktgeschäft) eine bedeutende Rolle und findet somit Eingang in die vorliegende Arbeit.[4]



[1] Vgl. Hellwig / Hofbauer (2009): S. 35

[2] Vgl. Diller/Haas/Ivens (2005): S. 86 f.

[3] Vgl. Kano (1984): S. 39-48

[4] Vgl. Winkelmann (2008): S. 130 ff.[1] Vgl. Hess (2008): S. 288 f.