Investitionsgüter: Begriffe und Abgrenzungen

14.09.2014 19:24

Verkäufer in der Maschinenbaubranche verkaufen Investitionsgüter (auch Industriegüter genannt). Eine Definition jener Güter, Beschreibung Ihrer Charakteristika und Einordnung im Marketing wird nachfolgend vorgenommen. Ziel ist das Aufzeigen von Unterschieden zwischen Investitions- und Konsumgütern, sowie daraus folgenden Anforderungen an Verkäufer im Maschinenbau.

 

Identifikationsmerkmale von Industriegütern

Maschinenbauleistungen sind in der Regel Industriegüter. Diese Güter werden durch Organisationen beschafft, um Leistungen zu erstellen, die der Bedürfnisbefriedigung von Letztkonsumenten vorausgehen und für diese erforderlich sind.[1] Als Beispiel dient die Schokoladenherstellung. Schokolade wird durch Konsumenten nachgefragt. Um dieses Bedürfnis zu erfüllen sind Produktionsschritte unter Einsatz verschiedener Maschinen erforderlich (Schmelzen der Rohmasse, Formen, Verpacken). Produkte,  wie Produktionsmaschinen zur Schokoladenherstellung, werden somit nur von der Industrie und nicht von Konsumenten nachgefragt. Daher werden diese als Industriegüter bezeichnet.[2] Im Vergleich zu Konsumgütern zeigt sich ein relativ hoher Interaktions- und Integrationsgrad bei direktem Kontakt zwischen Anbieter und Nachfrager. Der Direktkontakt ist aufgrund des hohen Komplexitätsgrades erforderlich und geschieht oft in Form von Buying - Centern auf Kundenseite. Das Buying Center setzt sich meist aus mehreren, spezialisierten Fachkräften zusammen, welche eine Beschaffungsentscheidung auf Basis rationaler Kriterien treffen und Risiken minimieren sollen.[3] Das Risiko der Kunden ist aufgrund der hohen Investitionsvolumina und Wechselbarrieren relativ hoch. Ein Beispiel für eine Wechselbarriere ist die Festlegung auf eine Systemarchitektur. Legt man sich beispielsweise auf ein Profilsystem zum Aufbau von Maschinen fest, welches mit anderen Systemen inkompatibel ist, entsteht eine Bindung. Dies hat bedeutende Auswirkungen auf Kunden wie Anbieter, welche im Systemgeschäft näher beschrieben werden. Im Gegensatz zu vielen Konsumgütern sind erbrachte Leistungen seitens der Anbieter aus dem Maschinenbau häufig lager- und transportfähig. Beispiele sind Konstruktionen (Dienstleistung), oder Maschinen (Produkt), während dies bei Konsumgütern nur bedingt möglich ist (Haltbarkeitsgrenzen von Lebensmitteln). Kontakt-, leistungs- und kundenbezogene Merkmale, mit deren Hilfe Industriegüter beschrieben werden können, sind  in nachfolgender Tabelle zusammengefasst.

 

 

Identifikationsmerkmale von Industriegütern

Kontaktbezogene Merkmale

Relativ hoher Integrations- und Interaktionsgrad

Direkter Kontakt zwischen Anbieter und Nachfrager

Kaufentscheidungen treffen häufig Buying Center, selten Einzelpersonen (Komplexität erfordert multipersonelle und multiorganisationale Beschaffungsprozesse)

Informationsasymmetrien auf Nachfrager- als auch auf Anbieterseite (Kooperation erforderlich statt Konkurrenz, um ganzheitliche Lösungen realisieren zu können)

Leistungsbezogene Merkmale

Hohe Bedeutung des Leistungserstellungspotenzials (Vertrauen des Kunden in Anbieter aufgrund häufig starker, längerfristiger Bindungen nach Kauf)

Heterogen und komplex

Häufig lager- und transportfähig

Kundenbezogene Merkmale

Risiko des Kunden und Einbindung in Prozesse relativ hoch

Rationale Kaufentscheidungen (Häufig Vergabeverfahren mit quantitativen und qualitativen Bewertungs-Kriterien)

Relativ hohe Wechselbarrieren (z.B. durch systemische Bindung)

 

 

Tabelle 1: Identifikationsmerkmale von Industriegütern[4]

 

Die Verschiedenheit von Investitions- beziehungsweise Konsumgütern, wirkt sich auf das Beschaffungsverhalten der Nachfrager aus und erfordert unterschiedliche Vermarktungsmethoden, welche sich an den Bedürfnissen der Bedarfsträger orientieren. Aufgaben des Marketings sind die Erhebung von Kundenbedürfnissen und Entscheidung für eine Vermarktungsmethode von Produkten, um Kunden zu gewinnen, binden und aufzubauen.[5] Dieses wird entsprechend den vermarkteten Produktkategorien in Investitionsgütermarketing, oder Konsumgütermarketing eingeteilt und nachfolgend behandelt. Durch Kenntnis der Besonderheiten im Beschaffungsverhalten der Kunden und geeigneten Vermarktungsmethoden, können Verkäufer Ihre Erfolgsaussichten für einen Verkauf steigern, weshalb das Marketing  nachfolgend behandelt wird.[6]

 

Unterscheidung Konsum- und Investitionsgütermarketing

Im Konsumgütermarketing sind die Nachfrager Letztkonsumenten, welche die Kaufentscheidung alleine treffen können, da die Komplexität der Leistung meist geringer ist, als bei Industriegüterkäufen.[7] Der Transaktionswert ist gering und die Vermarktung der Produkte erfolgt auf einem anonymen Markt, meist im Direktvertrieb. Im Investitionsgütermarketing sind die Nachfrager eine Organisation. Die Kaufentscheidung ist das Ergebnis multipersonaler und multiorganisationaler  Entscheidungsprozesse.[8]

Dies ist insbesondere auf den, im Vergleich zu Konsumgütern, hohen Komplexitätsgrad und Transaktionswert der Industriegüter zurückzuführen. Durch Einbindung mehrerer auf Fachgebiete spezialisierte Personen, sollen mögliche Risiken begrenzt werden. Die Vermarktung der Leistungen im Investitionsgütermarketing erfolgt im Direktvertrieb, oder durch Absatzmittler. Die nachfolgende Tabelle fasst die Unterscheidungsmerkmale des Konsumgüter- beziehungsweise Investitionsgütermarketings zusammen.

 

 

Dimension

Konsumgüter-marketing

Investitionsgüter-marketing

Nachfrager

Letztkonsument

 Bedürfnisse

Organisation (Buying Center)

Interessen

Kaufentscheidung

Trifft in der Regel eine Person

Ergebnis mehrheitlich multipersoneller und multiorganisationaler Entscheidungsprozesse

Komplexität der Leistung

Niedrig

Selten bindender Geschäftscharakter

Hoch

Häufig mittel-/langfristig bindender Geschäfts-Charakter

Transaktionswert

Gering

Hoch

Vermarktung

Anonymer Markt, Direktvertrieb

Direktvertrieb und/oder Absatzmittler

Kaufentscheidungsprozess

Eher homogen

Hohes Maß an Heterogenität

 

 

Tabelle 2: Unterscheidungsmerkmale von Konsum- und Investitionsgütermarketing[9]

 

Die zuvor beschriebenen Besonderheiten der Investitionsgüter und des Investitionsgütermarketings stellen nachfolgende Anforderungen an Verkäufer:


 

 

 

 

Umfeldbedingungen beim Verkauf von Investitionsgütern

Anforderung an Verkäufer

Nachfrager ist eine Organisation (Buying Center)

Kontaktfreudiges, sympathisches, kompetentes Auftreten, sodass Zugang zu allen am Kaufprozess beteiligten Personen gewährt wird. Analytische Fähigkeiten zur Erfassung personeller und organisationaler Bedürfnisse, Erwartungen.[10]

Kaufentscheidung ist Ergebnis multipersoneller und multiorganisationaler Entscheidungsprozesse

Hohe soziale Kompetenz, um mit Vielzahl unterschiedlicher Personen und deren Präferenzen, Einstellungen, Erwartungen bestmöglich umgehen zu können (zur Beteiligung an Lösungsfindung motivieren da erforderlich)[11]

Hohe Komplexität der Leistung

Hohe fachliche Kompetenz, um Produkte und Prozesse verstehen und Lösungen finden zu können.

Hohe Transaktionswerte

Vertrauensbildende Fähigkeiten, um Unsicherheiten beim Kunden zu reduzieren/eliminieren und in Kombination mit kaufmännischer/technischer Kompetenz die wirtschaftlich/technische Sinnhaftigkeit der Investition erläutern zu können.[12]

Mehrheitlich Direktvertrieb

Selbstsicheres Auftreten, hohes Maß Eloquenz und hohe Auffassungsgabe zur Beschreibung/ Erfragung/Erfassen von Sachverhalten.

Kaufentscheidungsprozesse weisen ein hohes Maß an Heterogenität auf

Bereitschaft zur regelmäßigen Aufarbeitung und Anpassung an Kaufentscheidungsprozesse.

Relativ hohe Wechselbarrieren

Vertrauenswürdigkeit gegenüber dem Kunden aufbauen, sodass dieser zu einem Lieferantenwechsel bereit ist. Wechselbarrieren erkennen und abbauen.

Rationale Kaufentscheidungen (Keine Impulskäufe)

Häufig formalisierte Kaufprozesse mit definierten Kriterien an Lieferanten und Produkte. Wirtschaftliche und technische Vorteile einer Kooperation erkennen und aufzeigen unter Bezug auf Bewertungskriterien um Auftrag zu gewinnen.

Hohe Innovationsgeschwindigkeit

Hohe Auffassungsgabe und Lernbereitschaft, um stets am Stand der Technik und somit beratend tätig sein zu können. Innovationsprojekte führen zu Pioniergewinnen im Verkauf.[13]

 

 

Tabelle 3: Anforderungen an Verkäufer von Investitionsgütern

 

Durch Kenntnis der Industriegüter und des Investitionsgütermarketings wurden allgemeine Anforderungen an Verkäufer der Investitionsgüterindustrie abgeleitet. Der Maschinenbau, als Bestandteil der Investitionsgüterindustrie, wird nachfolgend definiert und von artverwandten Branchen abgegrenzt. Ziel ist eine Fokussierung auf die Bedürfnisse der Maschinenbaubranche, um Verkäufern eine Informationsbasis für erste Aktivitäten (z.B. Kontaktaufnahme) zu bieten.  



[1] Vgl. Winkelmann (2008): S. 27

[2] Vgl. Hellwig, Hofbauer (2009): S.46

[3] Vgl. Diller/Haas/Ivens (2005): S. 161 f.

[4] Vgl. Bruhn (2001): S.254

[5] Vgl. Kottler (1999): S. 156

[6] Vgl. Hellwig, Hofbauer (2009): S.46

[7] Vgl. Achleitner / Thommen (2003): S. 33

[8] Vgl. Diller/Haas/Ivens (2005): S. 161

[9] Vgl. Hellwig, Hofbauer (2009): S.46

[10] Vgl. Diller/Haas/Ivens (2005): S. 131

[11] Vgl. Winkelmann (2008): S. 298

[12] Vgl. Hellwig, Hofbauer (2009): S. 443 f.

[13] Vgl. Pleschak (2003): S. 1

[14] Vgl. Oberstebrink (2009) S. 15 f.

[15] Vgl. Berdi (2009): S. 3

[16] Vgl. Stadler Lothar (2008): S. 242 f.

[17] Vgl. Backhaus Klaus (2003): S.324

[18] Vgl. Hellwig, Hofbauer (2009): S. 48 ff.

[19] Vgl. Backhaus (1999): S. 281 f.