Geschäftsanbahnung: Anfragenauslösung und Prüfung
21.09.2014 13:52Anfragenauslösung
Eine Anfrage enthält die Kundenanforderungen, in welchen geregelt sein sollte "was" zu lösen ist und "wofür" etwas benötigt wird.[9] Im Maschinenbau erfolgt dies meist in Form von Pflichten- oder Lastenheften, die durch den Anbieter, Kunden, oder gemeinsam erstellt werden.[10] Ziel ist es, aus dem Beratungsgespräch eine erfolgsversprechende Anfrage zu generieren. Hierbei sollten zusätzlich zu den Kundenanforderungen Umfeld-Informationen, die für den weiteren Verkaufsprozess bedeutsam sein können, festgehalten werden. Beispiele für derartige Informationen sind Kaufdruck, Finanzkraft, Entscheidungskriterien, Wettbewerbsangebote, Beeinflussbarkeit des Kunden, oder Angebotsdifferenzierungsmöglichkeiten. Nach Bündelung aller verfügbaren Informationen wird die Anfrage ausgelöst und einer Anfragenprüfung unterzogen, um entsprechend der begrenzten Ressourcen nur die lukrativsten zu bearbeiten.
Anfragenprüfung
Vorrangiges Ziel der Anfragenprüfung ist die Selektion von Anfragen, welche zu lukrativen Aufträgen führen können und Aussonderung jener, deren Erfolgsaussichten gering sind. Idealerweise werden Angebote nur für die attraktivsten, realistisch umsetzbaren Anfragen erstellt, um Kosten, Aufwände und Risiken zu minimieren (bzw. Gewinne und Auftragsanteil an gelegten Angeboten zu maximieren). Insbesondere Großprojekte können Angebotskosten von bis zu 5% des Auftragsvolumens verursachen und Kapazitäten binden.[11] Kosten, Informationsausbeutung durch opportunistisches Verhalten des Nachfragers[12] und große Risiken bei kleinen Ertragsaussichten, gilt es vorab zu vermeiden, also derartig gelagerte Anfragen möglichst abzulehnen.[13] Inhalte der Anfragenprüfung, Prüfkriterien, Instrumente zur Prüfung und Selektionskriterien sind in nachfolgenden Tabellen beispielhaft zusammengefasst. Die angeführten Kriterien und Instrumente wurden in allen Expertengesprächen, als auch in der Literatur als bedeutend und prüfungswürdig beschrieben und finden daher Eingang in die Arbeit. Sie können je nach Konjunkturlage, Unternehmensstruktur, Vertriebsstrategie, Kapazitäten, oder potenziellem Absatzvolumen der Anfragen umfassender/detaillierter geprüft werden.
Inhalte der Anfragenprüfung | Prüfkriterien | Instrumente und Beschreibung |
Entgegennahme der Kundenanfrage | Kundendaten, Informationsgehalt der Anfrage | Anfrageformulare, Checklisten, manuelle Sichtung durch Personal und Nachfragen beim Kunden zur Klärung offener Fragen ("Offer Screening"). |
Analyse der Informationsziele und Kundensituation | Zahlungsfähigkeit des Kunden | KSV Auskunft, vergangene Geschäftsfälle, Geschäftsberichte, Anzahlungsbereitschaft, Netzwerkinformationen (Lieferanten, Banken). |
Wettbewerbsposition des Kunden | Ist der Kunde in seiner Branche Marktführer? Führender Lieferant? Nischenanbieter? Unbekannt? Scoring Modelle, Netzpläne, Gap Analysen. | |
Kundenstatus, Bedarfspotenzial | Welchen Status hat der Kunde für das Anbieterunternehmen? Welcher Bedarf steht hinter dem Kunden? ABC Analyse, Sales Forecasting, Scoring Modelle, Portfoliotechnik, Verkaufstrichter, Kundendeckungsbeitragsrechnung, Customer Life Time Value. | |
Technologiebasis | Über welchen Technologiestand verfügt der Kunde? Checkliste, Gap Analyse, Profilvergleich. | |
Prüfung Realisierbarkeit | Technisch / Wirtschaftlich | Ausreichend Ressourcen zur Verfügung (Know How, Personal, Zeit, finanzielle Mittel)? |
Kapazitäten / Lieferbereitschaft | Produktionsplanung. Bei Engpässen: Leistung auf Teilbereiche begrenzen? Auslagerung von Produktionsschritten an Dritte? Eventuell Teilauslagerung zum Kunden selbst? | |
Anfragenbewertung | Bestimmt durch Unternehmens- und Vertriebsstrategie | Checklisten, Profilvergleiche, Scoring Modelle. Die Anfragen werden mittels einem zu definierendem Bewertungsschema in eine Rangreihenfolge gebracht und entsprechend dieser bearbeitet. Eine weitere Möglichkeit der Anfragenbewertung ist die "Ad-hoc-Methode", bei welcher intuitiv auf Erfahrung beruhende Einteilung der Anfragen in Kategorien erfolgt.[14] |
Tabelle 18: Beispiele für Inhalte, Prüfkriterien und Instrumente der Anfragenprüfung[15]
Ein Beispiel für eine in der Praxis bewährte Bewertungsmethodik, zur anschließenden Erstellung einer Rangreihenfolge entsprechend dem Anfragenwert, bietet nachfolgendes Scoring Modell.[16] Die Bewertungskriterien der Anfrage wird entsprechend Ihrer Ausprägung ein Punktwert "P" zugeordnet und mit einem Gewichtungsfaktor, entsprechend der Bedeutung des Bewertungskriteriums, multipliziert. Die Punktzahlen der Kriterien werden summiert und mit dem erwarteten Auftragswert multipliziert, um den Anfragenwert zu bestimmen. Dieser Prozess wird für alle Anfragen durchgeführt und entsprechend deren Wert eine Rangreihenfolge erstellt.[17]
Anfragendes Unternehmen: | Muster AG | |||||
Projekt: | Förderanlage | |||||
Erwarteter Auftragswert: | 5 Mio. € | |||||
Bewertungskriterien | Punktwert P | Gewicht G | G x P | |||
0 | 0,5 | 1 | ||||
Kundenstatus | Neukunde | Normal-kunde | Key Account | 10% | 0,05 | |
Reputation | gering | mittel | hoch | 7% | 0 | |
Bonität | gering | mittel | hoch | 8% | 0 | |
Konkurrenz | stark | mittel | gering | 10% | 0,1 | |
Entwicklungskosten | hoch | mittel | gering | 5% | 0,025 | |
Technisches Risiko | hoch | mittel | gering | 6% | 0,06 | |
Politisches Risiko | hoch | mittel | gering | 4% | 0,04 | |
Finanzierungs-risiko | hoch | mittel | gering | 6% | 0 | |
Kapazität Vorlieferanten | gering | mittel | hoch | 8% | 0,08 | |
Kapazität Fertigung | gering | mittel | hoch | 8% | 0 | |
Kapazität Montage | gering | mittel | hoch | 8% | 0 | |
Schutzrechte | nicht erhältlich | zu erwerben | vorhanden/ irrelevant | 8% | 0,08 | |
Relativer Deckungsbeitrag | unterdurch- schnittlich | mittel | überdurchschnittlich | 12% | 0 | |
Gesamtwert Summe G x P: | 100% | 0,435 | ||||
Anfragenwert = Gesamtpunktwert x Auftragswert = 0,435 x 5 Mio € = 2,175 Mio € | ||||||
Abbildung 15: Scoring Modell zur Anfragenprüfung[18]
Nach Festlegung einer Bearbeitungsreihenfolge und Abschätzen der Bearbeitungsintensität, ist eine weitere Selektion der Anfragen empfehlenswert. Sehr hohe Anfragenwerte könnten mit Risiken behaftet sein, die mit den Anfragenbewertungskriterien nicht, oder unzureichend, erfasst wurden. Erzielt eine Anfrage beispielsweise in allen Bewertungskriterien die Maximalpunktzahl und bei der Zahlungsfähigkeit des Kunden einen Nullwert (nicht zahlungsfähig), ist der Anfragenwert hoch - leider auch das Risiko. Daher sollten Mindestanforderungen für Prüfkriterien definiert werden, sogenannte Ausschlusskriterien. Werden diese nicht erfüllt, wird die Anfrage nicht weiter bearbeitet.
Falls die Anfragenanzahl - trotz Rangreihenfolge und Ausschlussselektion - die Bearbeitungskapazitäten überfordert, oder die Anfragenwerte nahe zueinander liegen, empfiehlt sich eine Priorisierung der Anfragen. Dieser zweite Prozess zur Festlegung der Bearbeitungsreihenfolge dient zur Auswahl der attraktivsten aus den bearbeitungswürdigen Anfragen. Mögliche Priorisierungskriterien, als auch Ausschlusskriterien sind in nachfolgender Tabelle zusammengefasst.
Selektion und Priorisierung der Anfragen | Ausschluss- Kriterien | Qualitative und quantitative Mindestanforderungen für Prüfkriterien der Anfragenprüfung definieren. Bei Überschreitung der Mindestanforderungen wird Anfrage bearbeitet, sonst abgelehnt. Beispiele für Ausschlusskriterien: Zahlungsfähigkeit Kunde nicht gegeben Technische/wirtschaftliche Umsetzung nicht realisierbar Kooperationsbereitschaft eingeschränkt |
Priorisierungs- Kriterien | Ein, oder mehrere Kriterien definieren und gewichten, um eine Priorisierung in der Bearbeitung von Anfragen zu ermöglichen. Beispiele für Priorisierungskriterien: Chancen: Erschließbarkeit weitere Kunden / Märkte? Potenzial: Volumen und Zeiträume? Kompetenz: Vorhanden oder ausbauen? Wettbewerbsstärke: Überwiegen unsere Vorteile im Vergleich zum Wettbewerb? Strategie: Ist der Kunde strategisch bedeutend? Profitabilität: Profitabilität im Zeitablauf? |
Tabelle 19: Beispiele für Selektions- und Priorisierungskriterien von Anfragen[19]
Ergebnis des Anfragenprüfungs- und Selektionsprozesses ist die Kenntnis der Anfragen, für welche ein Angebot erstellt werden sollte. Der Prozess der Angebotserstellung wird nachfolgend erläutert.
[1] Vgl. Kuhlmann (2001): S.238 f.
[2] Vgl. Hofbauer/Hohenleitner (2005): S.179
[3] Vgl. Hellwig/Hofbauer (2009): S. 157
[4] Vgl. Winkelmann (2008): S. 423
[5] Vgl. Kotler/Bliemel (2001): S. 990 ff.
Vgl. Hellwig/Hofbauer (2009): S. 159 ff.
Vgl. Winkelmann (2008): S. 450
Vgl. Hofbauer/Hohenleitner (2005): S. 275
[6] Vgl. Jacob / Weiber (2000): S. 527
[7] Vgl. Hellwig / Hofbauer (2009): S. 173
[8] Vgl. Winkelmann (2008): S. 416
[9] Vgl. VDI/VDE (1991): S.2
[10] Vgl. Jacob / Weiber (2000): S. 568
[11] Vgl. Heger (1998): S. 71
[12] Vgl. Kuhlmann (2001): S. 249 ff.
[13] Vgl. Backhaus (1999): S. 464 f.
[14] Vgl. Winkelmann (2000): S. 380
[15] Vgl. Hellwig/Hofbauer (2009): S. 179 ff.
[16] Vgl. Winkelmann (2000): S. 471
[17] Vgl. Hellwig/Hofbauer (2009): S. 184 f.
[18] Kuhlmann (2001): S. 254
[19] Vgl. Hellwig/Hofbauer (2009): S. 186 ff.