Beschaffungsorganisation

21.09.2014 13:40

Im Fokus dieses Kapitels stehen am Beschaffungsprozess eines Unternehmens beteiligten Personengruppen. Aus Sicht des Verkäufers sind dies sein Kunde, Mitbewerber, er selbst und möglicherweise seine Lieferanten, sofern der Verkäufer mit diesen in Kontakt treten möchte (beispielsweise aus technischen oder terminlichen Angelegenheiten). Je besser die Beziehung des Verkäufers zu den Akteuren ist, umso größer ist die Chance für einen Geschäftsabschluss relevante Informationen und Unterstützungen zu erhalten. Kunden können als Wertquellen, Kompetenzentwicklungspartner und  Ressourcenlieferant (z.B. Informationen) dienen.[1] Der ganzheitliche Blick auf Gesprächspartner, deren Netzwerke, Befugnisse und Prozesse des Abnehmerunternehmens präzisieren Bedürfnisse und Anforderungen, wodurch der Verkäufer zielgerichteter agieren kann. Insbesondere der Analyse der Beschaffungsorganisation und Beschaffungsstrategie von Kunden zur Erkenntnis Ihrer Bedürfnisse, kommt besondere Bedeutung zu, wird daher nachfolgend detailliert behandelt.[2]

Kunde

Kunden im Investitionsgütermarketing haben einkaufsseitig vorrangig das Ziel, Ihre Bedürfnisse langfristig bestmöglich zu befriedigen[3], beispielsweise um die eigene Leistungserstellung zu ermöglichen (siehe auch Einleitung). Hierzu benötigt der Kunde eine Beschaffungsorganisation, welche über entsprechende Kompetenzen zur Entscheidungsfindung verfügt und eine Beschaffungsstrategie, in welcher die Beschaffungsziele, als auch Beschaffungsprozesse definiert sind. Die Kenntnis des Kunden, seiner Bedürfnisse, Organisation, wie Prozesse, dient dem Verkäufer als Basis, um Geschäfte anzubahnen und zu realisieren. In einem ersten Schritt sollte die Beschaffungsorganisation analysiert werden, um die an einer Beschaffung beteiligten Personen, deren Interessen und Prozesse zur Abwicklung kennenzulernen.

Beschaffungsorganisation

Routinemäßige Beschaffungen spezifizierter, bekannter und/oder genormter Materialien, Bauteile, wie Verbrauchsgüter werden vorwiegend von institutionalisierten Beschaffungsabteilungen durchgeführt.[4] Aufgrund der komplexen, oftmals neuartigen und hochwertigen Güter des Maschinenbaus findet sich kundenseitig in der Regel das Buying Center als Beschaffungsorganisation.[5] Dieses kann aus einer bis mehreren Personen unterschiedlicher Funktionsbereiche und Rollen bestehen.[6] Meist sind Prozessabfolgen und Kommunikationswege zwischen den handelnden Personen geregelt, die bei einer Beschaffung einzuhalten sind, um alle von der Beschaffung betroffenen Bereiche einzubinden. Ziel ist die Bereitstellung und der Einsatz von Kenntnissen, welche im Zuge der Beschaffungsaktivitäten zwecks Auswahl des Bestbieters benötigt werden. Nachfolgende Abbildung bietet eine Übersicht typischer Rollen im Buying Center des Kunden:


[1]  Vgl. Günter/Helm (2006): S. 94

[2]  Vgl. Winkelmann (2008): S. 299

[3]  Vgl. Diller/Haas/Ivens (2005): S. 47

[4]  Vgl. Hellwig/Hofbauer (2009): S.340 f.

[5] Vgl. Diller/Haas/Ivens (2005): S. 162

[6]  Vgl. Webster/Wind (1972): S. 77

Ein Beispiel für die Funktion eines Buying Centers wäre die Beschaffung einer Fräsmaschine. Diese dient zur Produktion von Frästeilen, welche durch das beschaffende Unternehmen produziert und verkauft werden können. Nach einer Absatzplanung durch den Vertrieb (Initiator) und der Freigabe des Vorhabens durch die Geschäftsführung (Entscheider) können die Techniker (Beeinflusser) Anforderungen an die Maschine definieren. Der technische Einkäufer (Einkauf) lädt in Frage kommende Lieferanten zur Angebotslegung ein und trifft eine Vorselektion.[1] Verbleibende Bestbieter werden intensiv in eine Kooperation von Einkauf, Technik, Maschinenbedienern (Nutzer) eingebunden.[2] Anbieter, deren Maschinen bereits erfolgreich in Verwendung sind, könnten durch die Maschinenbediener (Unterstützer) präferiert und somit unterstützt werden, während unbekannte Lieferanten zwecks Risikoreduktion zurückgewiesen werden (Gegner). Nicht präsente Maschinenlieferanten könnten die Bedenken durch Interaktion mit Nutzern, oder Technikern, die Bedenken der Handhabung ausräumen (Türöffner). Das Beispiel illustriert mögliche Abläufe und Interaktionen innerhalb eines Buying Centers, auf welche sich der Verkauf des Anbieterunternehmens idealer Weise vorbereiten sollte, um steuernd einzugreifen.[3] Mögliche Vorbereitungsmaßnahmen aufgrund zuvor dargestellter Personen, Rollen und Funktionen werden in nachfolgender Tabelle zusammengefasst.

Typische Rolle

Typische Interessen

Vorbereitung Vertrieb

Einkauf

Stabiles Preisniveau

Geringe Kosten

Lieferantenreduktion

Aufwandsreduktion

Unterstützer in Fachabteilungen, präzise Preiskalkulation, Cross-Selling, Automatisierungslösungen

Entscheider

Bestes Preis-Leistungs-Verhältnis

Nutzen aus Zusammenarbeit und Akzeptanz der Fachabteilungen hervorheben, Referenzen

Beeinflusser

Vorgaben einhalten (z.B  entsprechend Normen, Standardisierungen, Systemlösungen...)

Chancen für Erfüllung der Vorgaben aufzeigen

Gegner

Existente Lieferantenstruktur beibehalten

In Lösungsfindung einbinden, zwecks Akzeptanz. Unterstützung Fachabteilungen

Tabelle 5: Vorbereitungsoptionen des Vertriebs auf das Buying-Center am Beispiel Einkauf

Nach Kenntnis der Beschaffungsorganisation, sind die an einer Beschaffung beteiligten Personen, Rollen und Prozesse bekannt. Verkäufer können je nach Produkt und Situation, den bestgeeigneten Ansprechpartner und eventuelle Beeinflusser gezielt kontaktieren und Ihr Anliegen verfolgen. Neben der Kenntnis und Kontaktierung der "richtigen" Personen, ist die Ermittlung der Beschaffungsstrategie des Kunden ein entscheidender Faktor für erfolgreiche Geschäftsabschlüsse.[4] Aus dieser leiten sich Beschaffungsziele, Produkt-, Lieferanten-, Bezugsstrategien, als auch die Preis- und Konditionenpolitik des Kunden ab. Der Verkäufer kann durch Vergleich der Kundenanforderungen mit den Leistungsfähigkeiten des Anbieterunternehmens seine grundsätzlichen Erfolgsaussichten abschätzen. Je stärker sich diese decken, oder Anforderungen übertroffen werden, desto eher wird der Kunde den Anbieter als potenziellen Lieferanten in Betracht ziehen. Des Weiteren kann der Verkäufer seine Verkaufsstrategie an den Kundenstrategien ausrichten und jene Vorteile kommunizieren, die für den Kunden tatsächlich relevant sind, also Betroffenheit schaffen und Interesse erzeugen.[5]